I.P.V.Troxlers Gedankenkosmos in 160 ausgewählten Aphorismen

Aus I.P.V. Troxler. Fragmente. Erstveröffentlichung aus seinem Nachlasse, Herausgegeben von Willi Aeppli, Dreilinden-Verlag St. Gallen 1936. Auswahl und orthografische Anpassungen durch Franz Lohri 2015.

«Was Troxler nicht nur an rein philosophischen, sondern auch an naturwissenschaftlichen, medizinischen, pädagogischen, politischen Schriften veröffentlicht hat, war für ihn, im strengen Sinne gemeint, Ausdruck seiner Philosophie, genauer: Erzeugnis seines philosophierenden Geistes. Seine Schriften verstehen kann deshalb nur derjenige, der die Kunst des Philosophierens schon etwas handhabt oder dann gewillt ist, gerade durch das Studium seiner philosophischen Werke dieses Können in sich zu entwickeln. – Das war durchaus Troxlers Meinung über den Charakter seiner Bücher, seiner öffentlichen Wirksamkeit überhaupt. Angesichts dieser Tatsache mag vielleicht in manchem Leser die Frage aufsteigen: Hat es für mich überhaupt einen Sinn zu «philosophieren», oder ist es nicht besser, diese Art von Tun den Leuten vom Fach zu überlassen, denjenigen, die aus besonderer Liebhaberei oder von Amtes wegen philosophische Studien treiben wollen oder auch müssen. Habe ich denn überhaupt die Fähigkeit dazu? Hätte nicht vielleicht gerade Troxler mir geraten, die Hände, vielmehr den Geist davon zu lassen, bei meinem Leisten zu bleiben und der Philosophenzunft zu lassen, was sie vielleicht mit Fug für sich allein beanspruchen darf? Die Antwort auf solche Fragen ist in den Schriften Troxlers oft zu finden. Sie lautet: Nur wenn einer seine Menschenwürde preisgibt, kann er auch auf das Philosophieren verzichten. Aber vielleicht weiß der noch nicht, was ein Philosoph ist und was Philosophie.»

Willi Aeppli

Denken und philosophieren

Philosoph ist jeder, welcher sich zu verstehen und die Welt zu begreifen sucht, und davon sind die meisten Philosophen von Profession ferner, als der gesunde Verstand und Sinn, welche wenigstens mit sich und der Welt in keinem Widerspruche stehen.

Wir gehen lieber vom Vollen als vom Leeren aus.

In der Natur ist kein totes Sein, sondern stetes Entstehen und Vergehen, das mit unserem Denken (Vor- und Nachdenken) parallel läuft.

Sie vergessen, dass der Mensch von dem Sinnenschein ausgehen muss, und dass ihn das Denken zu einer höheren Erkenntnis führt, zu einer Intuition im Geiste.

Das Denken ist das Erste, das vom Ich ausgeht; hinzu kommt erst das Sein – obwohl das Seiende vor dem Denkenden ist.

Das Wesen des Denkens führt zum Denken des Wesens: ideal-reale und real-ideale Einheit.

Der Begriff steht unter, nicht über dem Wesen der Dinge; und das Denken ist nur Weg und Mittel zum Erkennen.

Der einfältige, einfache Verstand produziert ungeschieden Stoff und Form im Denken. Der höhere Verstand unterscheidet, der höchste eint wieder.

Die Scheidewand zwischen Glaubens- und Wissensphilosophie muss fallen.

Jeder Inhalt des Denkens hat Stoff und Form, Wesenheit und Ursache.

Die Wissenschaft lehrt uns den geistigen Naturprozess des Denkens kennen und die Kunst ihn mit Bewusstsein und Willkür ausüben. Ist Denken eine Kunst?

Philosophieren ist die höchste und freieste Tätigkeit des Geistes. Man muss mit allen Sinnen und Gliedern des Geistes philosophieren.

Wirkliches Philosophieren ist allumfassendes, systematisch und methodisch durchgeführtes Denken, welches sich über die Abstraktion erhebt und das Endziel der Reflexion erreicht.

Im Denken liegt der Anfang, aber nicht das Ende der Philosophie. Räsonieren und Argumentieren ist noch nicht Philosophieren.

Denken ist ein Schöpfungsakt ohne Materie.

Keine Philosophie ohne Enthusiasmus.

Nicht Ideen soll die Philosophie lehren, sondern die Erzeugung von Ideen.

Ideen sollten als leuchtende Feuersäulen allen Unternehmungen vorangehen.

Die Vernunft hat ein Vorbild an der Natur, aber nicht an der unter ihr liegenden, sondern an der höheren, menschlichen. Jede Idee ist eine Verheißung einer andern Welt.

Ideen sind Phänomene im Geisterreiche.

Subjekt und Objekt

Das Subjektive und Objektive ist im Menschen, nicht der Mensch in ihnen.

Wenn wir von »Gegenstand« reden, haben wir uns schon subjektiviert und jenen objektiviert.

Was wir Tatsachen und Objekte nennen, sind auch Prinzipien und Grundsätze, die lebendigen Quellen liegen in uns.

Zum Objekt außer uns gibt’s nur einen Übergang durch das Objekt in uns, so wie zu dem absoluten Subjekt nur durch das Subjekt in unserem Innern.

Nur das Sein hat Wirklichkeit, in welchem Stoff und Form in Einheit auftreten. Der formlose Stoff ist Abstraktion wie die stofflose Form. Diese können wir denken, jene nicht.

Idealismus und Realismus

Das sogenannte Ideale ist so wenig das absolut Wirkliche als das Reale.

Sowohl Spiritualismus als Materialismus sind Weg zum Nihilismus. Die Materialisten sehen das Ende, die Spiritualisten den Anfang nicht.

Sie wollen sich aus dem Sumpf und Schlamm des Spiritualismus und Materialismus auf Münchhausens Manier mit dem Zopf ihres seel- und leiblosen Ich herausbuxieren.

Die Gegner des Idealen äffen sich selbst mit ihrem vermeinten Realen, welches dieses durchaus nicht ist, sondern ein bloß sinnliches Scheinwesen.

Der wesenlose Spiritualismus muss durch Beleibung, der unlebendige Materialismus durch Beseelung zu Samenblättern und FruchthüIIen des Menschen im Menschen werden.

Der Dualismus und die Isoliertheit ist das Allerunnatürlichste und Irrtümlichste, Tötendste. Man erfand es um der Unsterblichkeit willen, und zerstört dadurch alles Leben.

Es gibt einen spiritualistischen und materialistischen Egoismus und Satanismus. Spiritualismus ist unideal, Materialismus unreal.

Selbstheit und Freiheit

Mut ist mehr als Vernunft und Wille: Quell der Freiheit! Der Geist des Mutes wirft das Joch der Gesetze ab!

Das höchste Leben ist Freitätigkeit und das Bewusstsein dieser Tätigkeit ist Glückseligkeit.

Freiheit an sich ist unabhängiges Leben. Besitz ist nur Mittel zu unabhängigem Dasein.

Bildung nur Mittel zu selbständigem Wirken.

Freiheit ist nicht bloß Unabhängigkeit von der Begierde, sondern ihre Sühnung mit dem Willen.

Wahrheit und Freiheit haben ihren besten Grund in der Gleichheit, der unerschöpften Hoheit des menschlichen Wesens.

Nur wo Selbstheit in der Vernunft und Freiheit im Willen ist, ist die Kraft im Geiste selbst, oder sollen wir noch lange von andern erwarten, was in unserer Macht steht?

In der Selbstbewusstheit zeigt sich das Licht, in der Freigewilltheit die Kraft des hinter beiden verborgenen Geistes.

Das größte und mirakulöseste Mysterium der menschlichen Natur ist die selbstbewusste freigewillte Persönlichkeit, die individuell und immortell ist.

Nur das lebendigste Wesen und wesentlichste Leben ist unsterblich.

Freiheit ist die Selbstmacht des Geistes über sich selbst.

Mensch und Menschheit

Ohne Zweifel ist der Mensch der Mittel- und Gipfelpunkt der Erde; sein Organismus und Lebensprozess der vollkommenste, daher die Menschennatur die Norm und das Gesetz aller Erdschöpfung.

Jeder Mensch ist ein Weltsystem, eine Sonne mit Planeten und Kometen.

Der Mensch ist das ordnende Maß der Schöpfung und der Aufschluss ihrer tiefsten Geheimnisse – daher sein Bau ein Grundriss der Welt. In jedem Menschen liegt die ganze Schöpfung und Welt-Geschichte.

Vom Menschen aus kann das Weltall erklärt werden, aber nur wo der ein und ganz ist.

Es kann nichts so Schönes, nichts so Großes gedacht werden, das nicht im Menschen läge und das nicht hier und da himmelrein aus ihm hervorbräche.

Ein durch und durch zweideutig Wesen. Der Mensch ist ein sterbender und werdender Gott.

Vom Menschlichen muss Alles abhängig gemacht werden, aber das Menschliche darf nicht von Göttlichem und Natürlichem getrennt werden.

Es ist schon großes Glück, Unglück ertragen zu können.

Wenn das Ursprüngliche das Vollkommene ist, warum war dann der Mensch nicht das erste Geschöpf – sondern das letzte?

Nur der Erdball ist veraltet und erhärtet. Der Mensch ist das Innerste und Höchste Lebendigste!

Sind nicht alle, die oben sind, Emporkömmlinge? Aber nicht alle ihrer Arbeit und ihres Geistes!

Der Mensch hat Menschliches in sich, Göttliches aber über, Tierisches unter sich, und ist daher so korruptibel und perfektibel.

Das Menschliche ist das Göttliche im Natürlichen.

Der Mensch muss bei aller Festigkeit und Stetigkeit sich verwandeln können.

Der äußere Mensch erscheint sich im Innern und der innere Mensch beschaut sich im Äußern – nur selten offenbart sich das Innerste.

Wer den Charakter eines Menschen ganz ergründen will, muss in ihm das Kind auffinden können.

Der Mensch ist für den Menschen eine Quelle der größten Glückseligkeit und Vollkommenheit.

Jeder Mensch ist Universum und Individuum und hat, nebst der allgemeinen gemeinschaftlichen Menschenbestimmung und Mission, seine besondere und eigentümliche.

Die organische Natur in ihrer Zweigestalt erhebt sich über Erdball und Weltraum zur innersten Innerlichkeit und höchsten Mitte des Alls im Menschen.

Statt den Menschen außer dem Menschen, soll man den Menschen im Menschen suchen.

Die »geistige Wiedergeburt« des Menschen ist nur eine diesseitige und einseitige, die Wiedergeburt des Menschen selbst ist sein ganzes Wesen umfassend und geht im Jenseits vor.

Es denkt und spricht Gott in der Menschheit.

Die Bestimmung der Menschheit ist eine in allen Menschen, aber die eines Jeden ist eine besondere, mehr durch das Selbst, als durch Stand, Geburt, Beruf usf.

Humanismus setzt Humanität, diese die Menschheitsidee und -gesinnung voraus. Humanität ist das Vollblut der Menschlichkeit.

Das Menschengeschlecht ist ewiger als die Erde.

Weiter als Seele und Leib reicht der Geist. Wo noch keine Seele ist, ist Geist, wo kein Leib mehr ist, ist Geist.

Der menschliche Geist ist die aufgeschlossene Blüte der ganzen irdischen Welt, das Herrschende, weil ihr Höchstgeborenes.

Der menschliche Geist ist wie die Sonne, sie blendet die Augen und hindert die Menschen, den gestirnten Himmel zu sehen.

Die Geistessphäre ist viel weiter und mächtiger, als die des Körpers, indem in ihr das eine ganze Wesen und Leben, die Persönlichkeit erweitert und erhöht, was im Körper beengt und erniedrigt ist.

Das Immaterielle ist das Substanziellste, der Geist das Realste, die Einheit und Ganzheit.

Der Körper des Menschen verhält sich zu seinem Geist, wie der Erdball zum Luftkreis.

Nach der sehr gewöhnlichen und fast allgemein herrschenden Ansicht umfängt der Körper den Geist; nichts aber ist verkehrter als diese Ansicht, welche, ich möchte sagen, die Natur der Dinge auf den Kopf stellt und das Unendliche dem Endlichen unterordnet.

Leib, Seele Geist sind Hauptorgane des Menschen.

Das eigentliche wahre Gemüt ist die wesentliche und lebendige Einheit von Geist und Leib, Verstand und Wille.

Der Geist beseelt den Leib und durch die lebendige leibhafte Seele wird der Körper belebt.

Gesundheit und Krankheit

Jede Krankheit ist eine Erscheinung des Todes im Leben; so wie Gesundheit nichts als das klare Licht des Lebens ist, das alle Finsternis des Todes verscheucht.

Die Kunst besteht darin, den Kranken nicht zu behandeln, sondern nur die Krankheit; der Kranke hat Freund und Feind in sich, und was im Augenblicke der Krankheit Feind ist, soll nicht getötet werden, denn dies heißt alles töten.

Der Arzt, der heilen will, soll nicht nur wissen, welche Funktion gestört ist – er muss wissen, welche innere Kraft er wecken muss, ihr zu begegnen – und selbst in welchem Verhältnis die zwei Kräfte zur höheren einen stehen sollen.

Nur da geht es gut, wo der Arzt mitleiden, und der Kranke mitwirken kann; Mitleiden ist die Quelle echter Diagnose.

Der Kranke kennt immer nur die Beschwerden, nicht die Krankheit selbst. Der innigste Abgrund ist noch nicht erforscht.

Du musst in jedem Kranken den Seienden (Gesunden), den Sterbenden (Erkrankten) und den Neugeborenen (Genesenden) sehen.

Der Lebensgeist ist die Ursache der Krankheit – ist der Endzweck der Heilkraft.

Der geheime vergeistete Wille, der in des leiblichen Daseins Tiefe als solcher verborgen ist, ist offenbar eins mit dem Ursprung der Krankheit, mit der Neigung der Organisation.

Missbrauch der Freiheit ist eine der größten Quellen der Krankheiten.

Krankheit ist stets ein Sturm, der Himmel und Erde, Feuer und Wasser zu seinem Wesen fordert. Wie blödsinnig ist es, sie im Körper finden zu wollen.

Heilen kann nur der Geist. Genesen nur der Körper. Kränken kann nur der Geist und Erkranken nur der Körper. Der Arzt ist nur Mittler, die Arznei nur Mittel.

Viele verschiedene Krankheiten weichen auf einerlei Arznei, viele ähnliche auf verschiedene. Sollte dies nicht beweisen, dass alles, was wir Krankheit nennen, nur Zufall ist, und dass wir ihre Ursache noch nicht kennen?

Jede Krankheitsursache hat eine Hauptwirkung, von welcher alle Symptome Verzweigungen sind.

Selbstbekenntnisse sind die besten Krankheitsgeschichten.

Gesundheit ist die Offenbarung der Macht des Lebens in der Wirklichkeit; es gibt aber im Leben viel größere Güter als Gesundheit, größere Übel als Krankheit.

Organsysteme beim Menschen

So gewiss als der Mensch zwei Mittelpunkte an Kopf und Herz hat, hat er noch einen über beiden, der aber verborgen liegt.

Das Geblüt, gleichsam ein flüssiges körperliches Gemüt, das Hirn und Herz vermittelt.

Herz ist endlicher Geist – das Hirn ist nur einseitig höher.

Das Leben im Organismus ist aber das Blut.

Es findet keine Leitung von den Sinnen zum Gehirn und keine von diesem zu den Beweggliedern statt, das Sensorium und Motorium ist überorganisch.

Alles geschieht durch Doppelkräfte und Wechselwirkung.

Staat und Politik

Das Gesetzmäßige kann rechtswidrig und das Gesetzwidrige rechtmäßig sein.

Politik ist die auf die Gesellschaft übertragene Wissenschaft und Kunst der Ethik.

Nicht einer, nicht Alle – gleich verkehrte Lehre!! Gott im Menschen ist Herrscher.

Jede Monarchie hat nur ein goldenes Zeitalter, eine Republik aber weite Zeiträume von Wildheit und Kultur.

So lange es nur eine Menge gab, die für Volk galt, musste es auch Monarchen geben.

Wir haben kein Beispiel einer ursprünglichen Republik, aber eben das beweist, wie hoch sie steht.

Der Mensch kann nur in Republiken recht gedeihen.

Die Staatsgewalt ist ein zweifelhaft Ding. Sie soll ein Mittel sein, sich wider die Ungerechtigkeit des Stärkeren zu verwahren, und meistens war sie ein Werkzeug, den Schwächeren zu unterdrücken.

Nationalität hat nur Bedeutung für den Staat.

Man gebe der Vernunft das Recht, die Vernunft zu richten.

Wahrheit

Welche Wahrheit war nicht einmal unbekannt, und welcher stand nicht zur Zeit das Vorurteil der Mehrheit, im ersten Augenblick oft Aller, außer dem Entdecker entgegen?

Die Begierde nach Wahrheit (Erkenntnis) und Freiheit (Selbstbeherrschung) ist unauslöschlich, es ist göttliches Geistesstreben.

Von Gott selbst beglaubigte Wahrheit liegt in uns.

Die Wahrheit verstößt gegen Nichts. Durch sie kann Religion und Sittlichkeit gereinigt und vervollkommnet, aber nicht gefährdet und verderbt werden.

Auch das Böse nützt, denn die Wahrheit ist selbst nicht an Zeit und Ort gebunden. Lasst die Falschheit selbst eine Zeitlang da und dort herrschen, sie wird gewiss widerlegt.

Der gesunde Geist wird immer den durch Täuschung oder Betrug kranken überwinden.

Die öffentliche Meinung eines Volkes ist ja natürlich selbst nicht das Höchste! – noch zu enge, zeitlich und örtlich!

Aristokraten und Demokraten, Christen und Heiden, Fürsten und Völker haben andere Wahrheiten, oder viel eher Stückwerke.

Ist eine Wahrheit unschicklich – unzeitig oder unörtlich – so dringt sie nicht durch – wird wohl auch nicht entwickelt!

Wissenschaft

Es gibt kein sichereres Mittel, eine Wissenschaft oder Anstalt zu Grunde zu richten, als Begünstigung der Mittelmäßigkeit.

Die Philosophie darf nicht Fachwissenschaft werden und die Fachwissenschaft nicht ohne Philosophie bestehen.

Weisheitslehre und Wissenschaftslehre sind wohl zu unterscheiden.

Aus der Empirie lässt sich das Ich, aus der Spekulation die Welt nicht erklären.

Wissenschaft ist so wenig Weisheit, als Kunst Tugend.

Weisheit ist auch nicht bloß eine mit dem Wesen des Menschen ethisch verwachsene Philosophie, sondern eine höhere, übersinnliche, unmittelbare Erlebnisweise der Natur der Dinge.

Jetzt haben die »exakten« Wissenschaften den Vorschritt aber die Zeit ist nahe, da die »unexakten« ihn erhalten werden.

Wir setzen immer zusammen aus dem Zersetzten und verlieren so das Wesen und Leben an sich, wie in seinem Ursprung und Abgrund.

Die schärfste Bewaffnung äußerer Sinne durch Teleskop oder Mikroskop kann das Schaffen durch innere Sinne nicht ersetzen.

Die Bildung der Wissenschaft beginnt erst, wo ihr sie abgeschlossen zu haben glaubt.

Wo die natürliche Schöpfung endet, erforscht sie der Sinn und auf den Resultaten dieser Forschung beginnt der Geist seine Nachbildung.

Wissenschaft ist der mit dem Gegenstand verwachsene Geist, wie die Erscheinungs- oder Sinnenwelt eine Synthesis von Geist und Körper. Monaden, Atome, Moleküle wollen sie, aber nicht Individualitäten und eigentliche Persönlichkeiten! Was sich verkehrt hat, muss umgekehrt werden!

Natur und Kosmos

Die tote Natur ist ganz egoistisch; mit Unrecht heißt sie Universum, sie hat nichts als Einzelheiten.

Die Welt ist mir nicht bloß eine große allumfassende Masse, sondern ein Organismus von einzelnen besonderen Welt- oder Himmelskörpern.

Sind die Wolken und Winde nicht das Gehirn und Nervensystem der Erde?

Die Erde muss als ein Universalorganismus und als ein ewiger Lebensprozess betrachtet werden.

In der Sonne sind wir universell (alle Eins) im Mond individuell (alle getrennt). In der Erde sind wir beides – persönlich.

Der Mond trägt zur Selbständigkeit der Erde bei. Er befreit sie durch Gegenwirkung von der absoluten Herrschaft der Sonne.

Der Sternhimmel, welcher bei Abwesenheit von Sonn- und Mondlicht um Mitternacht am hellsten hervortritt, ist ein Abbild des echten jenseitigen Himmels.

Ist die Milchstraße nicht, gleich dem Ring des Saturns, ein Kreis um ein jenseitiges Innere? Der Fixsternhimmel.

Eine jede Gegend hat ihre Physionomie, wie ihren Charakter, wo die verschiedensten Richtungen in einem Haupttypus zusammentreffen; da ist Einheit der Natur – es gibt überirdische Gegenden, Paradiese.

Die Tiere sind jetzt wie je, und hier und dort – wie anders der Mensch! Er scheint schon hier zur Unendlichkeit des Seins und Tuns berufen.

Das Tier kann nicht erröten und nicht erblassen.

Die Tiere sind Blutsverwandte des Menschen, die Pflanzen Kinder der Erde, beide vermittelt die Atmosphäre.

Der Mensch mit seinem Jenseits und Diesseits ist das Zentrum der lebendigen und beseelten Natur. Tier- und Pflanzenwelt sind die Cotyledonen [Keimblätter] der Menschennatur.

Beim Tier ist Vernunft und Gefühl, Wille und Instinkt noch ungetrennt, schlummert in tieferer Einheit. Das Tier ist daher auch nicht des Irrtums und der Wahrheit, weder der Tugend noch des Lasters fähig.

Aber der Mensch birgt in sich eine höhere Einheit, in die er die Gegensätze auflösen soll, die an und für sich nicht Tugend noch Laster, nicht Irrtum noch Wahrheit begründen; wohl aber in ihrem gegenseitigen Widerspruch.

Kreisform des Lebens, Kugelgestalt.

Erziehung, Bildung, Pädagogik

Die große Kunst des Unterrichtens ist, dass so gelebt wird, dass der Zögling das, was er lernt, aus sich selbst produziere.

Eigentlich ist Alles Selbstentwicklung, bei welcher die Menschheit sich selbst unter und über sich voraussetzt.

Daher ist alle Erziehung nur Beistand und fordert Anlage in der Entwicklung.

Pädagogik umfasst Alles.

Wer sich allein selbst erziehen will, hat einen Schüler zum Lehrer.

Zwischen Erzieher und Zögling besteht … der höchste … Vertrag, der unter Menschen geschlossen werden kann, und der auch nur den tiefen Ansichten der Natur gemäß abgeschlossen werden soll. Erziehung ist die Offenbarung der göttlichen Liebe des Bildners seines Geschlechts.

Nicht Gelehrtheit, nicht Brauchbarkeit, nicht das Blühen und Bestehen höherer oder niederer Stände, nicht dieses Berufes oder jenes Gewerbes liegen uns am Herzen, sondern die Veredelung und Fortbildung der Menschheit.

Der Mensch muss zum Selbstdenken und Selbstwollen gebracht werden, dies ist der lebendige Grund auf den die Saat göttlicher Lehre abfallen soll.

Humanität, als Inbegriff der Äußerung und Entwicklung aller menschlichen Fähigkeiten und Vermögen ist das eine und stete Prinzip und Ziel der Vervollkommnung des Menschen und der Menschheit.

Warum gibt es so viel halbgeformte Menschen? Jeder trägt die Meißelschläge seiner Erziehung an sich.

Nur in der Jugend kann der Mensch erzogen werden, später nur regiert.

Wo ist auch der Mensch, der einen Menschen erziehen kann? Wo ist dagegen auch der, der sich ohne einen andern erziehen könnte?

Das schwierigste in der Erziehung, das individuelle Erziehen durch Gemüt und Herz, wird nur möglich durch Lebensverwandtschaft.

Das wahre Erziehen ist Beleben.

Bilder von Groß-Menschen erwecken das eigene Ideal, darum ihr Erzieher, erfüllt das Gemüt der Zöglinge mit der Heldenwelt!

Müssen Bildungsanstalten im Geist der Zeit oder nicht vielmehr gegen denselben angelegt werden?

Wie sollte der Mensch je aufhören, Schüler und Zögling zu sein, wenn er je anfinge, Lehrer und Meister zu werden?